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Nordindien – Teil 2 – Januar/Februar 2010

Jeder kennt Bhopal – die Stadt, über die ein Chemieunfall der amerikanischen Fa. Union Carbide 1984 unendliches Leid brachte. Noch heute kämpfen die Betroffenen um angemessene Entschädigung.Trotz der schönen Seen und einiger Villenviertel ist die Stadt leider wieder einmal recht verdreckt. Von hier erreicht man das kleine Dorf Sanchi – mit dem ältesten Monument Indiens (ca. 300 v.Chr.) – eine riesige Stupa – 

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mit 4 Toranas – das sind wunderbar gearbeitete Steintore mit Szenen aus dem Leben Buddhas. Wie Elfenbeinschnitzereien, in Stein gemeißelte Kostbarkeiten – von König Ashoka in Auftrag gegeben. (Wo die Künstler herkamen, bzw. wo sie die Perfektion ihres Handwerkes lernten, bleibt ein Rätsel – in ganz Indien gibt es kein älteres Kunstwerk).

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Dieser heilige Ort ist übrigens das Pilgerziel einer buddhistischen Gemeinde aus Sri Lanka, in deren Pilgerunterkunft wir wohnen durften.

Mit dem Zug geht es über Vidisha nach Orcha. Wir haben mal wieder 6 h Verspätung und nutzen die Zeit um Vidisha zu besichtigen. Hier lebt das wahre Indien – ohne jeglichen Tourismus – schmutzig und brutal. In Lumpen gehüllt, sterben alte verlassene Menschen vor dem Bahnhof, Kühe liegen vor dem Fahrkartenschalter kuh.jpgund ein Junge sagt stolz „thank you for visiting our station“.Irgendwann kommen wir doch noch in Orcha an – der kleine Ort ist für seine wunderbaren, längst verlassenen Moghul-Paläste berühmt.

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Gerade versammeln sich hier die Pilgern aus der Umgebung – zu Vollmond wird auf dem Platz vor dem Tempel dem Gott Rama gehuldigt. Nur in dünne Decken gehüllt verbringen Familien mit Kind und Kegel die kalte Nacht im Freien (für uns unvorstellbar, wie die Leute das aushalten). Das Beten geht wie überall in Indien mit übersteuerten Lautsprechern vonstatten. 

Die Pilger nutzen den Ausflug auch gerne um einzukaufen.

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Wir werden von unserem „Wirt“, einem ehemaligen Anwalt, zum Abendessen eingeladen. Er haust mit der Groß-Familie direkt neben seinem wirklich netten Hotel (Ganpati) in dunklen, spartanisch eingerichteten Räumen. Die Frau bringt uns ein gutes Essen, verzieht sich aber sofort wieder – wie es die Tradition will. Wir erfahren, dass immer noch die Ehen in Indien von den Eltern arrangiert werden und dass den Eltern nie!!! widersprochen wird!!!

Ein absolutes Highlight sind die Tempel von Khajuraho, weltbekannt wegen ihrer erotischen Darstellungen. Die über 15 Tempel faszinieren mit ihren hoch aufstrebenden Kuppeln, die den Himalaya, den Sitz der Götter, repräsentieren.

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Herrlich gearbeitete Reliefs mit Figuren – Götter, Tänzerinnen – in anmutigen Posen und einige in gewagten Stellungen verschlungen im Liebesakt.

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Welch ein Glück, dass gerade das bedeutendste Tanzfestival Indiens stattfand. Als Kulisse dient ein beleuchteter Tempel und auf der Bühne die anspruchsvolle, wenn auch für uns manchmal  etwas gewöhnungsbedürftige Musik und perfekte Tänzer und Kostüme.

Das saubere!! Dorf selbst besteht fast nur aus ansprechenden Hotels, Restaurants und Souvenirshops. Die Touristenbusladungen werden von den Tempeln direkt in die großen neuen Souvenirshops außerhalb des Dorfes gekarrt – was zur Folge hat, dass die kleinen Händler im Ort keine Laufkundschaft mehr haben. Sie stürzen sich also notgedrungen auf die paar Individualreisenden – recht nervig sind all die Ali Babas oder Super Marios, die einen unentwegt in ihre Shops zwingen wollen.

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Und nochmal geht es an den Ganges – in Rishikesh am Ganges begann diese Indienreise, in Varanasi am Ganges geht sie zu Ende.

Die Millionenstadt ist die älteste Stadt und wohl der heiligste Ort Indiens. Sie ist laut und chaotisch, Transportmittel sind noch immer hauptsächlich Rikshas. Doch entlang des kilometerlangen Uferstreifens herrscht eine unerwartet ruhige Atmosphäre – die Altstadtgassen entlang des Ufers sind nämlich derart eng, dass nur Fußgänger, Fahrräder und Motorroller durchkommen und so eine heilige Kuh versperrt einem schon mal den Weg. Wir wohnen in einem heruntergekommenen, moskitoverseuchten Guesthouse, dafür mit Blick auf den trägen, wider Erwarten recht sauberen Fluss.

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Im Morgengrauen beginnt ein Höllenlärm:  zahllose Wallas klatschen stundenlang ihre Wäsche auf den Badestufen sauber. Unseren Aussichtsbalkon können wir leider auch nicht genießen; als wir gemütlich frühstücken wollten, fiel eine Affenbande über unser Essen her.

Zu Sonnenauf- und -untergang gleiten einheimische Pilger oder ausländische Touristen in überfüllten Booten gemächlich vorüber.

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Mit Einbruch der Dunkelheit beginnt vor zwei großen Ufertempeln die tägliche „Ganja-Puja“ (Ganges-Gottesdienst). Filmreif kostümierte Priester vollführen, begleitet von aus Lautsprechern dröhnenden Gesängen und unter ständigem Glockenläuten, eine etwa einstündige Zeremonie mit viel Feuer und Rauch. Die Pilger sind ergriffen – die Touristen begeistert – von der Show.

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An zwei Ufergaths lodern rund um die Uhr Scheiterhaufen. Hier verbrennen die Toten, die das Glück haben, von ihren Familienangehörigen an diesen privilegierten Ort gebracht zu werden – denn wer hier stirbt, muss nicht wiedergeboren werden (das Ziel eines Hindulebens). Alles geht lautlos und ohne Rührseligkeit vonstatten: Familienangehörige kaufen Holz, stellen die Bare mit der in ein farbenprächtiges Tuch gehüllten Leiche an einen freien Platz und errichten ihre eigene Verbrennungsstätte.

Und wieder eine Bahnfahrt – da unser Zug Verspätung hat, verbringen wir eine Nacht im Bahnhof von Varanasi – wir sind nicht die Einzigen.

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Mit 18!! Stunden Verspätung erreichen wir endlich um 2 Uhr nachts Kalkutta, wo wir mangels Unterkunft noch mal eine Nacht auf dem Boden – diesmal sauberer Marmor – „pennen“. Frühmorgens startet von hier unser Flieger (Air Asia) nach Bangkok.

Aber nichts gegen die Indian Railway – übrigens mit 1,2 Mio. Beschäftigten der größte Arbeitgeber der Welt: Die Züge sind für indische Verhältnisse relativ sauber und komfortabel, das computergestützte Reservierungssystem funktioniert bestens – und die Fahrpreise sind unvorstellbar niedrig. Doch dieser heilige Mann fährt umsonst.

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Zum Schluss dieser Seite noch eine Anmerkung: Der Anblick vom Elend der Alten auf den Straßen von Vidisha lässt mir keine Ruhe. Ich habe mir gedacht, man könnte das Leid dieser Menschen mit einer Art Altersheim – und wenn es nur ein Dach über dem Kopf und etwas Essen wäre – vielleicht etwas lindern. Wer helfen will, möge sich bitte bei mir melden – oder email an:  saschaines@web.de

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