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Kambodscha – Dezember 2007/2008

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Die Flagge Kambodschas

Diesmal entscheiden wir uns für die bequeme Art der Einreise in ein neues Land. Anstatt mit dem Bus anderthalb Tage vom südlichen Laos über Kampong Cham nach Siem Reap in Kambodscha zu reisen, fliegen wir von Pakxe in weniger als einer Stunde dorthin. Auf dem Flughafen von Siem Reap, einer kleinen Provinzhauptstadt, geht es rund; ein Flieger nach dem anderen landet, um Touristen zu einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Welt, den Tempeln von Angkor, zu bringen. Visum gibt’s on arrival.

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Angkor Wat bei Sonnenaufgang

Zwei der im Lonely Planet (LP) empfohlenen Guesthäuser (z.B. das reizende “Golden Banana”) sind leider schon ausgebucht. Das ist uns auf der ganzen Reise noch nicht passiert! Der Taxifahrer bringt uns daraufhin in ein etwas steriles aber gepflegtes Hotel mit Pool, wo wir die nächsten Tage gut und preiswert untergebracht sind.

Bevor Hanna am Weihnachtsabend aus Deutschland angereist kommt, erkunden wir die vorwiegend aus Hotels und Restaurants bestehende Stadt mit dem Fahrrad. Die Gegensätze zwischen dem Schmutz am Einheimischenmarkt und den Parkanlagen der Luxushotels eine Strasse weiter könnten kaum größer sein.

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Weihnachten feiern wir zu Dritt.

Die Besichtigung der Tempelanlagen von Angkor beginnt mit dem Erwerb eines 3-Tagespasses für 40 Dollar. Im Zentrum des ehemals riesigen Khmer Reiches liegen rd. 50 Tempelkomplexe mit künstlichen Seen und Kanälen – die eine Millionenbevölkerung beherbergten. Unfassbar, was hier ersonnen, geplant und dann mit einem Heer von Sklaven in der Zeit zwischen 800 und 1200 n.C. aus Millionen Kubikmeter Stein, herbeigeschafft vom 50 km entfernten Berg Kulen, erbaut wurde.

Mit dem Moto (mit Fahrer für 10 – 12 Dollar pro Tag) fahren wir zuerst zum berühmtesten Bauwerk – Angkor Wat. Der dem indischen Gott Vishnu geweihte, ca. 10 ha umfassende, von Mauern und Wassergräben umringte Tempelkomplex war gleichzeitig Stadt (20.000 Einwohner) und Mausoleum. Die eindrucksvollen 5 Türme, in perfekter Symmetrie, stehen auf einer mehrstufigen Plattform – deren erste Ebene misst rd. 200 m im Quadrat, also 800 m und ist auf ganzer Länge mit einem 2 m hohen Relief verziert. Wunderbar und perfekt in Stein gemeisselte Szenen aus dem Mahabarataepos mit rd. 10 000 Figuren in thematischem Zusammenhang.

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Zwei Devatas – Tempeltänzerinnen

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Ausschnitt aus dem Basrelief

Das wohl berühmteste, ca. 200 m lange Relief zeigt „das Quirlen des Milchmeeres“, wo Götter und Dämonen den Berg Meru mit einer Naga (mehrköpfige Schlange) zwirbeln, um an das im Urozean lagernde Unsterblichkeitselixier „Amrit“ zu gelangen. Natürlich kann man die vielen Kampfgeschichten von Göttern und Dämonen symbolisch als Ringen um das Gleichgewicht von Intellekt (Götterwelt) und Triebhaftigkeit (Dämonen) sehen. Nicht umsonst sind die Wesen der Unterwelt oft animalische Kreaturen (z.B. Affen). Auch der stets ähnliche Aufbau aller Tempel ist immer symbolisch als Abbild des Kosmos dargestellt: Die Türme symbolisieren das Gebirge als Sitz der Götter, die Mauern sind die Grenzen der Welt, umgeben von Wassergräben, den Ozeanen. Das zentrale Heiligtum im Innersten der Tempel ist meist ein Lingam (männliches Geschlechtsteil), im Hinduismus das Symbol für die Schöpfung, bzw. den Gott Shiva. Der Buddhismus hat sich in Kambodscha übrigens erst gegen Ende der Khmerkönigregentschaft ausgebreitet.
Am eindruckvollsten erschien uns der Angkor Wat zum Sonnenaufgang – perfekte Kulisse für ein Tai Chi.

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Nicht weit von Angkor Wat steht der Bayon. Von weitem eher einem Steinhaufen gleichend,

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Der Bayon

erschließt sich sein grandioser Zauber beim Betreten. Von 54 Türmen blicken den Besucher über 200 der 2 Meter hohen, geheimnisvoll lächelnden Antlitze von Lokeshvara, dem selbsternannten Gottkönig Jayavarma VII, entgegen. Auch hier sind die Basreliefs eindrucksvoll gestaltet.

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Er lächelt – Jayavarma VII

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Ein weiterer, unglaublich stimmungsvoller Langtempel ist Ta Phrom – Tempel von Brahma. Seine Lage im dichten Regenwald und die mit mächtigem Wurzelwerk der Urwaldriesen zum Teil eng verschlungenen Ruinen machen das Ganze noch einmaliger, als es so schon ist. Stundenlang kann man durch die Anlage stapfen und immer wieder stockt einem der Atem beim Anblick der perfekten Synthese von Kultur und Natur. Hier wurde auch der Film „Tomb Rider“ gedreht.

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Ta Phrom im Griff der Kapokbaeume und Wuergefeigen

Eigentlich bräuchte man Wochen um alle Tempel zu besichtigen. Uns blieb daher nur die Qual der Wahl weiterer Höhepunkte wie Ta Som, Neak Pean, Preah Palilay, die Paradeterrassen, der kleine, äußerst elegante Banteay Srei sowie der auf einem Berg liegende Phnom Bakheng (von hier grossartiger Sonnenuntergang), etc..

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Der wunderschöne Banteay Srei Tempel

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Angkor vermarktet sich gut und gibt den vielen Opfern von Landminen – einarmig, einbeinig oder blind – die Möglichkeit sich als Postkarten- oder Buchverkäufer, oder auch als Musiker ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

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Einarmig – einbeinig – blind!!!

Allgegenwärtig ist auch der Verkaufsslogan der Kinder „three for one Dollaaaaa (Dollar)!

Auf dem Wasserweg soll es in die Hauptstadt Phnom Penh gehen. Hierzu besteigen wir am nahegelegenen Tonle Sap, ein See, größer als der Bodensee, ein hoffnungslos überfülltes Schnellboot, das einer Rakete ähnelt. Für den Fall, dass diese untergeht, machen wir es uns auf dem Dach „bequem“; aus der Innenkabine wäre kein Entrinnen möglich. Mit ohrenbetäubendem Lärm fliegt das Ding über das Wasser und nach 5 Stunden sind wir am Ziel. Ich hätte mich gerne mit Reni unterhalten, die in Dharamsala, wo der Dalai Lama lebt, wohnt; aber es ist zu laut und so nehme ich nur mit, dass es in Daramsala irrsinnig viel regnet – das ist nix für uns.

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Mit der “Rakete” über den Tonle Sap-See

In der quirligen Millionenstadt ist nichts mehr davon zu merken, dass hier vor ca. 30 Jahren die Schreckensherrschaft der kommunistischen „Roten Khmer“ mit ihrem Anführer Pol Pot 1975 ihren Anfang nahm und so ziemlich alle Städter von heute auf morgen zur Feldarbeit aufs Land geschickt hat. Ca. 2 Millionen Menschen starben szt. bei der Feldarbeit, daher der Name „Killing Fields“, oder sie wurden umgebracht. Im zum Museum umgebauten Foltergefängnis Tuol Sleng wird man in diese Zeit versetzt.

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Tuol Sleng

1979 beendete der Einmarsch von 140.000 vietnamesischen Soldaten die Schreckensherrschaft Pol Pots, erst 10 Jahre später zogen die „Freunde“ wieder ab.
Zitat: So hatten die Roten Khmer Kambodscha hinterlassen: Das Land ausgeblutet, die Menschen (so sie überlebten) entwurzelt, Dörfer, Häuser Reisfelder zerstört. Nur noch 45 Ärzte und 7000 Lehrer, Religionsverbot, etc..
Unter dem jungen Hun Sen sollte Kambodscha wieder zur „Normalität“ zurückfinden, währenddessen Pol Pot (weiterhin unterstützt von den Amerikanern!!!) und seine Schergen im Untergrund weiter auf die Gelegenheit wartete, wieder die Macht zu übernehmen. Ja, den USA ging es nicht um Humanität, sondern um die Befriedigung ihrer antvietnamesischen Rachegelüste!!!

Irgendwie läßt sich das alles nicht begreifen, wenn man nach diesem Gefängnis den glänzenden Königspalast am Mekongufer besichtigt. Was für Gegensätze: Königreich Kambodscha, eines der ärmsten Länder der Welt, regiert von einer kommunistischen Einheitspartei in einem Land ohne nennenswerte soziale Einrichtungen, in dem fast ausschließlich mit Dollar bezahlt wird und jeder machen kann, was er will, wenn er nur reich und korrupt ist. Und sehr Reiche und Korrupte gibt es hier nicht gerade wenig. Deren Kids protzen gerne mit Waffen, daher das Verbot, den Königspalast mit solchen zu betreten.

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Den Königspalast nicht mit Waffen betreten

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Dolce Vita am Mekongufer in Phnom Penh

Rechtzeitig zum Jahreswechsel erreichen wir in 5-stündiger Busfahrt die unattraktive Hafenstadt Sihanoukville mit ihren geschäftigen Badestränden.

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Hier verlässt uns Hanna, um eine Freundin in Kho Chang, einer nahe gelegenen thailändischen Insel zu treffen.

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Bye – bye Hanna

Für uns ist nun nach über sieben Monaten Asienreise Badeurlaub vom Feinsten angesagt. Nach dem mehrstündigen! Feuerwerk am Hauptstrand der Stadt in der Sylvesternacht ziehen wir uns in einen einsamen einfachen Bungalow auf einer vorgelagerten kleinen Insel (Kho Ru) zurück.

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Strand auf der Insel Kho Ru

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Inselurwald

… lassen die Seele baumeln und finden endlich Zeit zum Lesen: Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ – eine Reisebeschreibung des Jakobsweges (mit der ganzen esoterischen Palette). Im Gegensatz zu unserer Reise hat Hape Kerkeling ein Ziel – Santiago de Compostela. Aber viele Erfahrungen, die er beim Pilgern macht, sind ähnlich wie unsere eigenen. Z.B. die Gedanken über das Leben, wie alles im Rückblick einen Sinn macht und sich vieles einfach fügt – zum Eintauchen in die Vergangenheit waren unsere langen Bus- und Autofahrten, oder die Tage auf dem Rücken der Pferde ideal – somit ist vielleicht auch unser Unterwegssein eine Art Pilgern. Nur mit der Bestellung beim Universum, was dem Autor zufolge so gut funktioniert, warten wir noch, da wir momentan sehr zufrieden sind.

Reizend und informativ war auch das Buch von Diji „Balzac und die kleine Schneiderin“, das einen in das China der Kulturrevolution führt – kaum zu glauben, dass das erst 40 Jahre her ist.

Abgesehen von dem frischen ausgezeichneten Seafood und den herrlichen Früchten ist Kambodscha vom kulinarischen Angebot nicht unbedingt eine Reise wert, es sei denn, man mag gebratene Heuschrecken, Riesenspinnen und Maden

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Frisch aus dem Meer

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Heuschrecken – vielleicht auch frisch vom Feld

Wir haben ein kleines Land kennen gelernt, das sich derzeit wieder etwas von den unvorstellbaren Grauen der jüngsten Vergangenheit zu erholen scheint. Manfred Rohde beschreibt Kambodschas langen Weg in die Normalität sehr, sehr anschaulich in „Abschied von den Killing Fields“.

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Lotosblüte

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3 responses to “Kambodscha – Dezember 2007/2008”

  1. Sebastian Holler says:

    Ein Bonjour aus Valréas und alles Gute für das Jahr der Ratte.Lese gerne Eure Reiseberichte,besonders Eure Fotos machen lust auf’s Kofferpacken.Macht weiter so.Toi,toi,toi.Euer Sebastian.

  2. hanna says:

    Ich warte schon ganz sehnsüchtig auf den thailand bericht (-:

  3. Andi says:

    Hi Ihr zwei,
    danke fuer den Angkor Tipp war eine wahnsinnsreise. Brenne auch schon auf den Chiang Mai Bericht. Hab mich jetzt schon nach einem Tag in die Stadt verliebt. Tausche Infos gegen neue Zaubertricks 🙂 Und ihr koennt euch gar nicht vorstellen wie viele Leute vom Ring Trick in den Bann gezogen wurden.
    take care bis bald
    Eur Andi

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