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ZfV – Zur freien Verfuegung

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Heute haben wie frei, voneinander, vom Urlaub, von geplanter Aekschen, schlicht­­weg von allem, Zur freien Verfuegung schimpt sich das im Reiseslang. Deswegen oder trotzdem sitze ich zur Abwechslung im Bus, allein, d.h. ohne meine Reiseverursacherin. Maria hat sich echt frei genommen und geniesst das Getuemmel in Hue allein. Ich habe allerdings den Verdacht, dass das tolle Hotelzimmer mit allen Schikanen es ihr angetan hat, und sie doch echt den Mut hat, mal den ganzen Tag im Zimmer die Fuesse hochzulegen und wirklich nichts zu tun.

Sagte ich allein? Das war der Plan, gemuetlich im Bus sitzen, in der Gegend rumschauen und mobil meditieren. Es standen zwar, alibimaessig ein paar Sehenswuerdigkeiten auf dem Programm, aber, so warnte unser reichlich abgegriffener Lonely Planet Schmoecker, man saesse 12 Stunden im Bus und habe bei den Sekundenstops mit Kamera im Anschlag kaum Zeit, gross auf Erkundungstrip zu gehen und sehne sich nach dem Krabbelgang durch die Vietcongtunnel nach den ersten Metern schon wieder auf den gemuetlichen und vor allem geraeumigeren Platz im Bus. Und genau darauf freue ich mich. Und auf die ehemalige Demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Suedvietnam, ein paar Gedenkstaetten und, wie gesagt, das Kriechen durch die Tunnel.

Allein bin ich genau 5 Minuten, weil ich puenktlich um 6 beim Bus aufkreuze und meinen Lieblingsplatz vorn an der Tuer einnehme. Merkwuerdigerweise scheint es doch noch mehr Frueaufsteher zu geben, die entweder mitmeditieren und faul im Bus sitzen wollen, den schlauen Reiseratgeber nicht gelesen haben oder ihn schlichtweg uminterpretieren wie ich, oder einfach ignorieren. Sicherlich sind auch noch ein paar aus reinem Interesse dabei. Die Reisegesellschaft ist komplett, die Tuer schliesst sich, der einzige leere Platz ist der neben mir, wir schaukeln los, ich mache mich breit und freue mich, dass ich nicht auf den Reisfeldern stehen muss.

Das Meditieren findet ein jaehes Ende, als ploetzlich eine Stimme recht amerikanisch und genauso deutlich mich um meinen, eigentlich gekonnt ergatterten Nebensitz bittet. Und schon sitzt sie, und mein deutlich gelogenes “aber gern doch” geht in ihrem Redeschwall unter, ” dass ihr hinten speiuebel werde”. Ich wuensche ihr und mir Glueck und Erfolg, und das Gespraech ist in vollem Gange. Meditieren kann ich spaeter, wenn ich mich im Tunnel verirre und der Baerenfuehrer mich vergessen hat.

Ich hoere mir ihre Lebensgeschichte an und sie sich meine, waehrend draussen Ueberbleibsel ehemaliger Kriegsschauplaetze, Berge, Fluesse und, wie auch anders, quadratmegakilometerweise Reisfelder vorbeischleichen. Im Gegensatz zu meinen frueheren Erfahrungen mit anderen Chauffeuren hat dieser es nicht eilig, anscheinend darf er auf keinen Fall vor 18 Uhr zuruecksein und nuckelt daher mit einer Hoechstgeschwindigkeit von max 50 km/h durch die Botanik. Aus woertlich genommen, lauter langer Weile, hupt er dafuer meistens total unmotiviert dafuer aber in einer Tour. Ich fange an, den Mann auf dem Reisfeld zu beneiden, ganz zu schweigen von meiner Reiseverweigerin, die sich wahrscheinlich gerade gemuetlich im Hotelzimmer auf dem Riesenbett vor dem noch groesseren Plasmaschirm aalt, und irgendeinen milkshake schluerfend durch Hunderte von Kanaelen surft.

“Warst Du schon im Sueden?”, frage ich meine neue Bekannte, als das Gehupe kurz aufhoert. “Ha-noi”, kommt es etwas schwaebisch zurueck; inzwischen habe ich erfahren, dass sie einen amerikanischen Vater und eine deutsche Mutter hat und in Sueddeutschland gebohren wurde. “Hanoi liegt doch im Norden” wundere ich mich laut, und bekomme prompt die hochdeutsche Uebersetzung zu hoeren: ” Nein, ich war noch nicht im Sueden, ich war nur im Norden”. An das vietnamesische Englisch bzw englische Vietnamesisch habe ich mich in den letzten Wochen schon gewoehnt, die deutschen Dialekte muessen dagegen etwas in Vergessenheit geraten sein.  

Wir halten an und stehen vor einer recht modernen Bruecke und hoeren, dass hier der Ho Chi Minh Pfad in den 50er in den Dschungel geschlagen worden sei. Mein Vorstellungsvermoegen ist leider von dem Dauerhupkonzert etwas beeintraechtigt. Oder die Abwesenheit des durch Abholzung, Agent Orange, Duerre oder Ueberschwemmungen, Sauren Regen oder Treibhausgasen vertriebenen Urwaldes macht sich bemerkbar, meine Beeindruckung haelt sich jedenfalls in Grenzen.  Und schon hupt es wieder, und wir duerfen zurueck in unser Gefaehrt.

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Bis auf Tony, die Tonne aus Tasmanien. Er bleibt trotz Drei-Klang-Hup-Konzert und Gebruell des ploetzlich doch aufgetauchten Fuehrers verschwunden, verschollen auf Onkel Ho’s 4-spuriger Autobahn, und ich sehe die weltweite Schlagzeile morgen frueh schon vor mir: “Australischer Pfadfinder in vietnamesischem Dschungel entfuehrt”. Aber er taucht mit Lulle und Pulle doch ploetzlich auf, und gesellt sich zu uns in die erste Reihe.

Der Fuehrer, Pot steht auf einem Schild an seinem Hemd, greift sich das Mikrophon, der Fahrer knallt die Tuer zu, und es geht weiter. Etwas flotter, aber genauso laut und die ruhigen Intervalle sind von nun an gefuellt mit Greuelmaerchen ueber die Kriege, die schlimmen Franzosen und die noch schlimmeren Amerikaner. Pot war natuerlich auch nicht dabei, wie alle anderen englisch-sprechenden Vietnamesen, die ich bisher kennen-gelernt habe. Nur schaute bisher keiner so finster drein, und niemand im Bus widerspricht daher auch gross, als wir am naechsten geplanten Stop, einem Bergdorf von laotischen Immigranten, einfach vorbeisausen. “No time, we are late” hallt es durch den Lautsprecher, und ich danke Tony, dass wir nicht durch den triefenden Matsch stapfen muessen.

Zum Mittagessen halten wir an irgendeiner Kaschemme an und loeffeln Nudelsuppe. Sogar ich, denn es gibt nichts anderes. Kaum den Inhalt runtergeschluckt sitzen wir auch alle wieder im Nu auf unseren Sitzen, bis auf Fahrer und Fuehrer und natuerlich Tony, der sich noch schnell an der Tuer eine ansteckt. Es dauert allerdings laenger, sehr viel laenger, denn wir haben einen Platten und keinen Ersatzreifen. Mit Bier und Eis vertreiben wir uns die Zeit, und ueberlegen, aber nur kurz, ob wir schonmal vorgehen sollen. Ein Blick auf den Sonnenstand reicht und es bleibt bei Eis und Bier.

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Irgendwann geht es weiter, der naechste Stop faellt natuerlich flach und wir sehen ein weiteres Mahnmal an uns vorbeifliegen, ueberqueren den Ben Hai Fluss und die DMZ, bevor wir doch wirklich am eigentlichen Ziel dieses Ausflugs angekommen sind: Die Luftschutztunnel von Vinh Moc. Angeblich seien die geraeumig und selbst platzangst-tendierende  Personen (wie ich) haben nichts zu befuerchten, stand im Buch. Nun, nach den ersten 10 Schritten im Entengang und dann noch bergrunter in die absolute Dunkelheit, ist meine Tapferkeit dahin, und ich moechte am Liebsten umdrehen. Geht aber nicht, denn hinter mir krabbelt und keucht Tony, der gerade wieder droht, steckenzubleiben; dafuer bringt er mit seiner Handyanzeige etwas Licht ins Dunkel.

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Nach einer Ewigkeit koennen wir wenigstens wieder den Kopf etwas anheben, denn wir stehen im “Aufenthaltsraum” und Pot erzaehlt uns, dass in diesem keine 5 m langen und knapp 1.5 m breiten Bereich die permanenten Tunnelbewohner ihre Sitzungen mit bis zu 40 Mann abgehalten haben sollen. Lange koennen die nicht getagt haben, denke ich mir, und ueberlege, dass kleinere und aehnlich spartanisch ausgestattete Konferenzzimmer vielleicht auch in unseren Breiten die Dauertagereiwuetigen zur Raison bringen koennten.

Das Krabbeln geht noch beinahe eine Viertelstunde weiter, und keiner ist diesmal freiwillig zu spaet wieder am Treffpunkt. Die Rueckfahrt verlaeuft ohne besondere Vorkommnisse, und puenktlich um sechs stehe ich im Hotelzimmer …. und meiner, in der Tat sich auf der Liegewiese aalenden Lebensgefaehrtin, zur vollen Verfuegung.

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Sie musste eine Vorahnung von unserer naechsten Bleibe gehabt haben, denn unser Traumzimmer weicht bei unserem naechsten Stop einem kleinen Schuhkarton, allerdings mit Air Co, Fernseher, Computer und ueberflutungsgefaehrdetem Badezimmer, das Ganze in Hanoi. Onkel Ho’s Huette sah da schon konfortabler aus. Aber darueber mehr im naechsten Bericht.

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