Die Berge rufen ..
Rutsch – Klatsch – Schmerz – Fluch, und ich lieg’ im Matsch, Zentimeter trennen mich von einer Felsklippe und dem darunter liegenden Reisfeld. Da haette das hinter mir schadenfreudig wiehernde Volk sich erst richtig amuesiert. Bis auf die Knochen nass und nun auch noch mit Bergmatsch panniert rappele ich mich wieder auf, und reagiere auf die Anteilnahme heuchelnden Fragen: “Are you ok” mit einem coolen “no problem”.
Von wegen. Im Tal, oder besser gesagt, an den 1000 Zuckerhueten von Halong Bay, der smaragdgruenen See und den einsamen, weissen Sandstraenden haette ich bleiben sollen. Nur ganze zwei Tage ist es her, dass wir gemuetlich auf einer Dschunke von Insel zu Insel, Grotte zu Grotte und Fels zu Fels geschippert sind. Aktivitaeten waren auf den gelegentlichen Sprung ins Wasser, das Paddeln zum Sandstrand oder den Fahrradturn ueber eine einsame Insel beschraenkt, gefolgt vom obligatorischen “drink” zur Teestunde. Oder zwei. Aber man hatte einigermassen Kontrolle ueber alle Arten von Feuchtig- und Naessigkeiten.
Anders als hier an diesem niemals enden wollenden Schlammabhang. Auf Regen folgt Sonne, Scheiss Spruch, denke ich mir und schliddere an ein paar haesslich scharfen, aus dem Boden schiessenden Bambusspitzen vorbei, nur die perversesten Sado-Masochisten koennen die Dinger als Delikatessen bezeichnen.
Ich bin froh, wenn ich den Nachmittag ueberlebe und traeume weiter vom ruhigen Faulenzen am Sandstrand, bis mich der stahlharte Griff meiner staendigen Begleiterin aus meinen Gedanken reisst und mich vorm sicheren Absturz ins naechste Reisminihochplateau rettet. Ich schaeme mich heimlich, denn die Hand gehoert einer kleinen, keine 40kg leichten, wahrscheinlich 50+ Jahre alten Bergbewohnerin, die mit ihren kleinen, lediglich mit Plastiksandalen bekleideten Fuessen gemsengleich ueber den inzwischen zum Sumpf degradierten Pfad taenzelt und auch nicht den Anschein gibt, ins Rutschen geraten zu koennen. Auch eine Verdreifachung ihres Gewichtes durch mich als Anhaengsel aendert nichts an ihrer Beweglichkeit, und sie liefert mich sicher an der Huette ab.
Fuer heute abend tauschen wir die luxurioese Hotelzimmerszene, die immerhin schon 5 Wochen unser zuhause darstellt, mit einfachen Reisstrohmatrazen, die nebeneinander in einer Berghuette unter dem Dach ausgebreitet sind. Geduscht wird unter der “Ein Mann Eimer Dusche” mit frischem Bergwasser, und das Klo ist ein quadratisches (30cm * 30 cm) Loch im Boden aehnlich den Ein-Mann Tunneln der Roten Khmer mit fliessender Spuelung im Form eines reissenden Gebirgbaches -eine falsche Bewegung, und man darf fuer immer hier bleiben.
Das Glas Bier schmeckt umso besser, dito der Reiswein, der zum Essen und noch Stunden spaeter als Schlummertrunk gereicht wird. Irgendwie schaffen wir auch noch die senkrecht nach oben laufenden Treppen zu den rettenden Matrazen. Der unvermeidbare Gang zum Klo mitten in stockdunkler Nacht endet nur dadurch nicht fatal und rundet den abenteuerlichen Tag nur deshalb glimpflich ab, weil die Hausherrin im richtigen Moment vor Absturz in die Tiefe eine Kerze anzuendet.
Am naechsten Tag geht die Rutschpartie nicht nur weiter, nein sie gewinnt noch an Dimensionen. Heute regnet es richtig und wiederum sind die kleinen “Bergziegen” massgeblich an unserem Ueberleben des kleinen Ausflugs beteiligt. Leider verabschieden sie sich an der Strasse und uebergeben uns einer Meute an flotten Mopedfahrern, die beteuern, uns sicher wieder in das Bergnest zurueckzubefoerdern. Wir beugen uns unserem Schicksal, denn einen weiteren 3-stuendigen Marsch durch die Elemente, will sich keiner antun. Zumindest nicht bis nach der zweiten Kurve, in der eines der Vehikel in den Bach rutscht und Fahrer wie Passagier im kuehlen und nicht weniger reissenden, schlammigen Wasser zappeln. Danach wird erst richtig Gas gegeben, denn man will auf keinen Fall zu spaet zum Mittag sein.
Hanoi, Halong Bay und Sa Pa stellen das Ende, nein nicht des Trips, sondern lediglich der Etappe Vietnam dar. Weiter geht unsere Traumreise nach Laos, und wir hoffen, unsere gesammlten Erfahrungen werden uns helfen, auch diese Herausforderungen zu meistern. Schuhe und Klamotten getrocknet, das zerissene Regencape ersetzt, die Reisekasse gebeutelt aber noch nicht leer setzen wir uns also morgen todesmutig in den Flieger und lassen die 4 Wochen Vietnam Revue passieren. Alles in allem und auf einen Nenner gebracht war der Urlaub anders in jeder Beziehung: Anders, weil Vietnam anders ist, sowohl innerhalb der Landesgrenzen als auch insgesamt, anders als andere Laender in vergleichbarer Situation (die Einwohner besitzen eine einmalige Eigendynamik, oder schlichter ausgedrueckt, sie sind fleissig, aufgeschlossen und interessiert) und vor allem anders, als man durch sein eigenes Vorurteil erwartet haette.
Kein Wunder, dass es fuer so viele in den letzten Jahren zu einem begehrtesten Reiseziele schlechthin geworden ist und sicherlich auch bleiben wird. Ein Geheimtip ist ein Trip nach Vietnam schon lange nicht mehr.
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