Das Wetter ist jetzt hier auf absehbare Zeit schön (nächste Woche bis 26 Grad!) und so machte ich mich mal auf den Weg um noch mal Klamotten einzukaufen. Meine Schwägerin hatte mir eine Gegend mit vielen Shopping-Malls an einer großen Kreuzung empfohlen. Ich hätte es ahnen müssen aber wieder mal fand ich mich in gigantomanischen und überteuerten Konsumtempeln wieder. Die Masse der Mittelschicht-Chinesen, die hier ihrer Einkaufslust frönte, konnte das nicht abschrecken und kann sich auch mal gut “ein” Taxi leisten.
Hier konnte man ein Squash-Set kaufen, dass sich ohne Wand betreiben ließ. Bin kein Experte aber ob das wirklich sinnvoll ist, dass der Ball immer zur Mitte zurück kommt?
Hier die wichtigste katholische Kirche in Shanghai. Etwas ungewöhnlich: die fetten Rückprojektionsfernseher. Es war gerade ein Übungs-Konzert im Gange. Ausländer musizierten und ein gemischter Chor sang dazu. Heute am Oster-Sonntag sollen hier angeblich 2.500 Menschen reinpassen.
Gleich neben der Kirche hatte sich der Klerus in katholischer Bescheidenheit eingerichtet.
Ich bin dann weiter gegangen in das ehemalig von Ausländern bewohnte “Französische Viertel”. Dieses war das letzte größere Gebiet, was mir in Shanghai noch fehlte. Auf einem Hinterhof habe ich Opis beim Fitness-Training aufgespürt. Hätte die Geräte ansonsten glatt für Spielzeug gehalten.
Auf dem ersten Bild wird das Altpapier abgeholt. Möchte ich lieber nicht im Regen machen müssen, wenn alles doppelt so schwer ist 😉
Dann hat es mich auf einen Basarmarkt der extremen Art verschlagen. Das war ja was für mich, der feste Preise braucht, weil er nicht handeln kann! Und keine Umkleide um was anzuprobieren. Eine einzige Katastrophe! Der ganze Markt war total überlaufen: Chinesen, Ausländer, Stände und herumlaufende Händler ohne Ende, alle hier um mit gefälschten Artikeln Schnäppchen zu machen. Gucci, Rolex, Addidas, DVDs: alles was sich fälschen lässt und transportabel ist, war hier zu bekommen, zusätzlich jede Menge Ramsch. Mit Abstand am nervigsten waren jedoch die allgegenwärtigen Verticker, die mich von allen Seiten mit ihrem ewig gleichen “DVD? BAG? Watch?” wie die Schmeißfliegen belästigten.
Mein Lonely-Planet-Reiseführer beschreibt die Vorgänge beim Handeln recht zutreffend, weswegen ich mich auf eine Übersetztung beschränke:
Um die Preise zu feilschen, ist Teil der Einkaufserfahrung. Tatsächlich werden viele Händler regelrecht sauer, wenn man sich weigert, sich an diesem Spielchen zu beteiligen. Bei der üblichen Methode zeigt der Händler einen Preis auf dem Taschenrechner und reicht den an dich weiter. Du gibst 25%-30% des ursprünglichen Preises ein, der Händler gibt einen Schrei von sich, als hättest du seine Ahnen beleidigt, beruhigt sich wieder ein bisschen und reicht den Taschenrechner zurück, bis man am Ende bei 50-60% des Ursprungspreises angelangt ist.
Hier könnt ihr euch per Video einen Eindruck von der Marktatmosphäre verschaffen:
Basarvideo (eine der DVDs, die der Mann kurz zeigt ist übrigens Ice Age 2, die derzeitige Nr. 1 in den deutschen Kinos)
Nee, also beim besten Willen: Weder in solchem Ambiente noch zu solchen Bedingungen wollte ich hier auch nur ein Stück kaufen. Ich bin dann auf die Haupteinkaufsstraße (Huaihai Lu, für die Kenner) in diesem Viertel gegangen. An dieser Stelle kann ich auch gelich mal zwei frühere Aussagen relativieren. Zum einen gibt es hier recht viele Ausländer. Und zum anderen sind hier tatsächlich viele Menschen. Und zwar RICHTIG viele! Es war kaum ein Durchkommen auf den engen Bürgersteigen und ich habe versucht, die Enge fotografisch festzuhalten:
Dafür gab es hier Boutiquen nach meinem Geschmack. Die Preise auf dem Bild kann man einfach durch zehn teilen, um den Eurobetrag zu ermitteln. Da macht das Shoppen Spaß 😀
Aus diesem Haufen habe ich mir sieben Teile für insgesamt 11,- Euro rausgesucht.
Wollte ich natürlich nicht alle anprobieren und zu Hause musste ich mich dann auslachen lassen, nur weil ich in dem Gewühl ein Teil erwischt hatte, das wohl für Frauen gedacht und so eng war, dass es gerade mal meiner zierlichen Schwägerin passte. Ich fand es insgesamt trotzdem lohnend! Bei der Menge Klamotten darf ich jetzt jedenfalls die nächsten Jahre nicht dicker werden, das wäre strategisch sehr unklug!
Aber zu Hause war ich zu dem Zeitpunkt ja noch nicht. Diese eine Straße der Länge nach abzulaufen ist schier unmöglich. Die Distanzen hier sind wirklich enorm und ich war zu Fuß unterwegs. Selbst die Metrostationen einer Linie sind so weit voneinander entfernt, dass man als lauffauler skatingverwöhnter Faulpelz wie ich schon einen Bus nehmen muss, wenn man zwischen zwei Stationen ist. Leider hatte ich entweder den Ausstieg verpasst oder ohnehin den falschen Bus erwischt, so dass ich mich bald in fremdem Gebiet wiederfand. Eine von mir angesprochene Mitfahrerin bestätigte den Verdacht und ich stieg aus, um wenigstens wieder über den Fluss zurück nach Pudong zu kommen. An der Haltestelle haben mir freundliche Leute die richtige Linie gewiesen, doch ich bin wieder ziemlich am falschen Ende gelandet. Die Schaffnerin des dritten Busses ließ mich dann schon mal in der richtigen (lichtjahrelangen) Straße aussteigen und sagte mir die Anschlusslinie. Da stand ich nun im Dunkeln und wartete auf einen Bus, der nie kommen sollte, weil die Linie schon Betriebsschluss hatte. Hatte ich dann nach einer halben Stunde auch schon gemerkt. Ich hatte mir fest vorgenommen in Shanghai niemals auf- und mir die Blöße zu geben, ein Taxi nehmen zu müssen. Nun war es aber doch so weit. Ich wusste schon, dass das trotz hoher Taxidichte kein leichtes Unterfangen sein würde und fing sicherheitshalber schon mal an zu zählen. Das neunundvierzigste (!) Taxi war dann auch tatsächlich frei und ich konnte die letzten 7 km auf unserer Straße nach Hause fahren. Hat übrigens 2,- Euro gekostet. Und der Fahrer fuhr bei erlaubten sechzig locker halsbrecherische hundert Sachen, obendrein unangeschnallt. Irgendwie muss man ja für seinen Nervenkitzel sorgen.
Trotz der Verfahrerei konnte ich zufrieden feststellen, dass es besser ist, ein paar dürftige Bröckchen Chinesisch zu sprechen, als der Landessprache überhaupt nicht mächtig zu sein. Es reicht zwar für kein Gespräch aber zum Überleben ist es anscheinend genug.
Guimings Zustand ist einigermaßen stabil und durch das immer weiter reduzierte Kortison ist sein Gesicht erstmals leicht abgeschwollen. Er bekommt das Kortison ja, um das Hirn-Ödem Wasseransammlung in den Zellen) um den Tumor herum abzuschwellen. Der Bruder hat die Dosis inzwischen von 8 auf 3 mg heruntergesetzt. Das Ganze muss sehr langsam gehen um die Muskel-Schmerzen unter Kontrolle zu halten. Angestrebt ist, das Kortison für eine gewisse Zeit ganz abzusetzen. Das ist nur möglich, wenn die bisherigen Therapiebemühungen (Bestrahlung in Deutschland, fortgesetzte Tablettenchemo alle vier Wochen) den Tumor etwas haben schrumpfen lassen, so dass der Hinrdruck nicht zu stark ist. Ansonsten würde Guiming wieder sehr müde und teilnahmslos werden. Das ist momentan nicht der Fall. Ab morgen muss er erstmal wieder fünf Tage lang die Chemo machen und danach bekommt er 2 mg. Wir hoffen sehr, dass wir es schaffen ihn vorübergehend kortisonfrei zu bekommen, damit er frei von Schmerzen und Schwellungen an Füßen und Gesicht noch ein bisschen raus kann.
Heute bin ich übrigens zu Hause geblieben, also morgen nichts Neues.
Tags: Shanghai
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