BootsnAll Travel Network



Land und Leute Südafrika

Zur Vorbereitung hab ich ein interessantes Buch über Land und Leute in Südafrika gelesen. Der Titel ist “Gebrauchsanweisung für Südafrika” – was zuerst etwas komisch klingt, aber das Buch ist wirklich sehr interessant.

Einige Stellen sind wirklich super spannend, weshalb ich Euch diese nicht vorenthalten wollte.


Zusammenleben der Kulturen

“Was Südafrika als Schmelztiegel vieler Kulturen von Amerika unterscheidet, ist das Nebeneinander. Amerika hat seine Einwanderer über Jahrhunderte, wenn auch mit Mühe, unter dem Glücksversprechen und dem Ideal des Vorortwohlstands vereint. Ähnliches passiert zwar auch in Südafrika, weil der Weg aus der Armut scheinbar nur über den Bankkredit, die Lohnarbeit und die Doppelgarage führt. Alle wollen Strom, ein grosses Auto und einen Rasensprinkler, weil es den Unterpriviligierten als westliche Lösungen vorgelebt wird. Aber die Identitäten sind zu stark, um sich unter solch banalem Ideal vereinen zu lassen.

Das Schöne ist, dass einem weder als Reisender noch als Einwanderer zu viel Anpassung abverlangt wird. Woran auch, in einem Land mit so unterschiedlichen Kulturen und elf offiziellen Sprachen? Im Gegenteil.”


Südafrikas Landschaft

“Südafrika ist freundlich und leicht zu erkunden, und der Abenteuergeist der frühen afrikanischen und europäischen Siedler ist überall zu finden. Anders in Europa gibt es keine Märchenschlösser, gotischen Kathedralen, Stierjagden oder malerische Grachten zu bestaunen. Das wahre Gesicht Südafrikas offenbart sich in seinen Menschen und Landschaften.

Für uns Europäer ist es immer wieder unfassbar, wie unberührt Gegenden in Südafrika sind. In Südafrika sieht man die Weite, man kann sie spüren, und sie fühlt sich eindeutig mächtig an. Südafrika hat eine Landschaft, die nur die Liebe eines Hartnäckigen akzeptiert. Sogar echte Südafrikaner fühlen sich darin manchmal verloren.”


Johannesburg und Kapstadt

“Johannesburg und Kapstadt sind die Antagonismen dieses grossen Landes, vom Gegensatz zur Natur mal abgesehen. Johannesburg und Kapstadt verkörpern so unterschiedliche Lebensauffassungen, dass man sich trotz gemeinsamer Sprache oft nicht versteht. Wie kann man nur in so einer gemütlichen und übertrieben schönen Stadt leben, die im Herzen ein Dorf ist, fragen sich die Joburger aus dem flachen Hochland des Transvaal. Und wie kann man nur in einer hässlichen, lauten und geldorientierten Stadt leben, die eben noch eine Baugrube war und ohne jeden historischen Charm ist, fragen sich die Kapstädte.”


Umgang mit Geld

“Die Haltung der Afrikander zum “moolah”, zu Kies, Knete, also Geld, ist ganz anders als die der Weissen. Wer Geld hat, der zahlt; wenn er sich weigert oder meckert, riskiert er, sein Gesicht zu verlieren, deshalb zieht er lieber zähneknirschend seinen Geldbeutel. Diese Einstellung kann schnell zum Problem werden. Sarah, eine junge Xhosa-Frau, kann nicht über Weihnachten zu ihrer Familie in die Transkei fahren, weil alle von ihr Geschenke erwarten. Dabei verdient sie nicht mehr als 300 Rand (~30 Euro) die Woche, wovon sie ohnehin ein Drittel an ihre Familie schickt. Doch alleine die Tatsache, dass sie woanders lebt und Arbeit hat, macht sie in den Augen ihrer Angehörigen und Freunde reich. Geld ist in der afrikanischen Kultur nicht für einen alleine da, sondern für alle, die zum erweiterten Haushalt gehören.”


Umgang mit der Kriminalität

“Vor allem weisse Südafrikaner reden gerne über Verbrechen. Es ist eine Tatsache, die sich nicht leugnen lässt: Statistisch liegt Südafrika mit Mord, Raub und Vergewaltigungen weltweit vorn. Jeder kennt eine Geschichte von jemandem, dem irgendwelche schrecklichen Dinge in diesem Land widerfahren sind. Wenn er sie nicht selbst erlebt hat.

Die Südafrikaner haben sehr unterschiedliche Arten, mit dieser Tatsache umzugehen. Manche verlassen ihre Heimat in Richtung Australien, Kanada oder England, weil sie sich bedroht fühlen und mit der hohen Kriminalität nach dem Ende der Apartheid nicht leben wollen. Andere leben hinter elektrischen Zäunen und Stahlgittertüren. Dabei kann niemand den Reichen helfen, wenn sie in ihren Burgen bedroht werden, weil keiner es sieht. Gedanklich noch in der Apartheid, rüsten sie auf, um wie die Trekburen damals siegreich die Invasoren der Verbrecher abzuschmettern, und werden doch gerade deswegen Opfer, weil sie ihren Nachbarn nicht trauen.

Die Angst ist ein Geschäft, ebenso wie die Kriminalität. Das eine scheint das andere zu bedingen, und beides führt zu einem für uns oft seltsam anmutenden Lebensstil. Als wir mit dem Leiter des Goethe-Instituts in Johannesburg unterwegs waren, setzten wir seine Frau zu Hause ab. Wir warteten, bis das schwere automatische Garagentor sich hinter ihr schloss, und kurz darauf rief er sie an, um sich zu versichern, dass sie auch sicher im Haus angekommen war und ihr kein Bösewicht aufgelauert hatte. Das war am hellichten Tag und seine Vorsicht ganz typisch für die Stadt.

Das südafrikanische Leben besteht aus ständiger Aufmerksamkeit, gepaart mit viel Optimismus und einem heftigen Glauben an das Gute im Menschen und im Leben. Die Haltung ist entscheidend in einem Land, in dem Vorurteile immer noch stark sind.

Robert und Margret wurden bereits drei Autos von ihrem Grundstück in Pinelands, einer Gartenvorstadt von Kapstadt, gestohlen. Zwei Mal wurde in ihr Ferienhaus in Hermanus eingebrochen, aber Robert weigert sich, eine Alarmanlage einzubauen. Er sagt, wenn es so weit kommt, dass er eine Alarmanlage in sein Ferienhaus bauen muss, dann will er keines mehr haben. Eine ungewöhnliche Haltung in einem Land, das weltweit führend in Alarmsystemen ist, aber einige Südafrikaner denken so. Sie lassen sich nicht auf die Angst ein. Die Einbrecher in Robert und Margret klauten am Ende auch nur, was man in jedem Trödlerladen für zehn Euro erstehen könnte.”


Umgang mit Alkohol

“Der Amerikaner PJ O’Rouke fasste seinen ersten und bisher letzten Eindruck des Landes so zusammen: “Ich blieb einen Monat in Südafrika, reiste 5’000 Kilometer, sprach mit Hunderten von Leuten und kann genau zwei Worte dazu sagen: Alle besoffen.” Ganz so schlimm ist es nicht, aber das kalte Bier, der süffig Wein und der Brandy in der Cola gehören dazu wie der Bakkie und der Braai (Südafrikanisches Barbecue).

Eine Ursach, die zur Alkoholabhängigkeit einer ganzen Bevölkerungsgruppe führte, ist das sogenannte “Dop System”. In den Anfangsjahren der Kolonialisierung wurde die einheimische Bevölkerung von den europäischen Farmern mit der Entlohnung durch Wein, Tabak und Brot zur Farmarbeit überredet. Wein niedriger Qualität kostete den Farmer kaum etwas – den Weinbauern ohnehin nichts -, und er machte die harte Arbeit erträglich und die miserablen Lebensbedingungen erträglich. Dieses System prägte auch die soziale Kontrolle über die Landarbeiter, denn dem Arbeitgeber, der zuverlässig Ausschank bot, war die Loyalität seiner Arbeiter sicher. Bis zu fünf Mal am Tag gab es eine Tasse Wein und zum Feierabend eine Flasche zum Mitnehmen.

Das Dop System ist seit den frühen 1990er-Jahren verboten, aber es gibt immer noch Farmer, die ihren Arbeitern Wein ausschenken. Und der nur geringfügig höher Lohn, den die Arbeiter heute erhalten, wird ohnehin meist in Alkohol umgesetzt.

Südafrika steht weltweit an oberster Stelle im Alkoholkonsum. Fast 80% der Gewaltverbrechen stehen im Zusammenhand mit Alkohol. Bei Tätern wie Opfern. Über die Hälfte aller Verkehrstoten und 50% der unnatürlichen Todesursachen gehen zulasten eines überhöhten Alkoholgehalts im Blut. 70% häuslicher Gewalt sind auf Alkoholmissbrauch zurückzuführen. Ebenso Teenagerschwangerschaften, die Verbreitung von Aids und Vergewaltigungen, und auch 30% aller Krankenhauseinweisungen sind direkt oder indirekt darauf zurückzuführen.”



Tags: , ,

Comments are closed.